Landesmittel für die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs zum Bau eines riesigen Parkplatzes am Bahnhof Oranienburg?

Unser Mitglied Prof. Henning Schluss aus Oranienburg hat einen Brief an die Präsidentin des Brandenburgischen Landtags geschrieben. Hier ist der komplette Brief. Wir sind gespannt auf die Antwort!

23.12.18 –

Unser Mitglied Prof. Henning Schluss aus Oranienburg hat einen Brief an die Präsidentin des Brandenburgischen Landtags geschrieben. Hier ist der komplette Brief. Wir sind gespannt auf die Antwort!

Betr.: Bitte um Prüfung von Zweckentfremdung von Fördermitteln für den ÖPNV

Sehr geehrte Frau Präsidentin Stark

den Tageszeitungen entnehme ich, dass ein innerstädtischer Parkplatz in Oranienburg mit erheblichen Mitteln des Landes gefördert wurde, die zur Förderung des ÖPNV bestimmt sind. Die Erstellungskosten des Parkplatzes im Zentrum unserer Stadt belaufen sich auf über 900.000€. 77 % davon seien aus Fördermitteln des Landes für den ÖPNV entnommen worden. Damit entstehen für den ruhenden motorisierten Individualverkehr in Oranienburgs Innenstadt ca. 160 Parkplätze mehr. Einige dieser Parkplätze im Stadtzentrum werden sicherlich auch von Menschen benutzt, die nun mit dem Auto in die Innenstadt fahren können und von dort aus sich zum ebenfalls nicht so weit entfernten Bahnhof begeben, um mit der Bahn nach Berlin zu pendeln.

De facto wird mit Mitteln, die zur Förderung des ÖPNV bestimmt sind, also motorisierter Individualverkehr in die Oranienburger Innenstadt gelockt. Ich bitte Sie zu prüfen, ob hier eine Zweckentfremdung der Mittel vorliegt, zumal ein besonderer Zugang zum Bahnsteig, wie er einmal in den Planungen angekündigt war, von diesem innerstädtischen Parkplatz gar nicht gegeben ist.

In der Tat haben wir in Oranienburg große Probleme mit dem ÖPNV. Nicht verschwiegen sei, dass in diesem Jahr ein Fahrradparkhaus am Bahnhof eröffnet wurde, ein wirklich schöner Erfolg! Aber leider überwiegen die Probleme des ÖPNV in und um die Stadt. Die S-Bahn fährt nur alle 20 min, der RE 5 fährt nicht in den Randzeiten und nur stündlich.  Oranienburg hat keine einheitliche Tarifzone. Viele Ortsteile liegen außerhalb des ABC Bereichs des Berliner Umlandes, so dass es für viele Bewohner der Ortsteile attraktiv ist, mit dem Auto in die Innenstadt Oranienburgs zu fahren und dort in die Bahn nach Berlin zu steigen. Würden sie mit dem Bus in ihre Ortsteile fahren, so müssten sie zum Jahresticket einen Landkreis hinzunehmen, was das Ticket erheblich verteuern würde. Außerdem hat Oranienburg, als fünftgrößte Stadt des Landes, bis heute keine Stadtbuslinie. Die Ortsteile sind desaströs angebunden. Die skandalöse Situation der Anbindung der Gedenkstätte Sachsenh  ausen war vor Jahren bereits Thema in der internationalen Presse, die Kultusministerin des Landes hatte sich eingeschaltet, schnelle Lösungen wurden versprochen, bis heute ist nichts passiert, nicht einmal ein Wartehäuschen ist an der Gedenkstätte mit 700.000 BesucherInnen jährlich aufgestellt worden, auf dem die BesucherInnen am Wochenende auf den im 2 Stundentakt verkehrenden und regelmäßig überfüllten Bus warten könnten. Der Bahnhofstunnel endet auf halber Strecke, so dass es keine direkte Verbindung in die Neustadt gibt. Bei der Bahnhofssanierung, die sich bereits über Jahre hinschleppt und den Bahnhof in eine schmutzige, zugige Dauerbaustelle verwandelt hat, wurde ein Durchbruch in die Neustadt, der von vielen seit langem gefordert wird, wieder nicht realisiert. Es gibt nicht einmal ein funktionierendes Informationssystem, das darüber Auskunft gäbe, welche Busse wieviel Verspätung haben, weil sie im innerstädtischen Stau stecken.

Statt also die dafür vom Landtag zur Verfügung gestellten Gelder zu nutzen, um wenigstens ein paar der virulentesten Probleme des ÖPNV in Oranienburg anzugehen, werden diese Mittel verwendet, um in der Innenstadt Parkplätze zu bauen und damit weitere PKW in die Oranienburger Innenstadt zu locken und Flächen für den ruhenden motorisierten Individualverkehr zu versiegeln. Ich bitte Sie zu prüfen, ob diese Verwendung der Mittel auf diese, den eigentlichen Zweck, Förderung von ÖPNV ins Gegenteil verkehrende Weise widmungsgemäß erfolgt ist. Sollte das tatsächlich der Fall sein, bitte ich Sie zu veranlassen, dass die Mittel, die der Brandenburgische Landtag aus unseren Steuergeldern zur Förderung des ÖPNV zur Verfügung stellt (was ich ausgesprochen unterstützenswert finde und angesichts der Herausforderungen nicht nur den Lärm und die Luftqualität der Innenstädte, sondern auch des Klimawandels dringend notwendig ist) nicht weiter zur Förderung des motorisierten Individualverkehrs und der Flächenversiegelung unserer Innenstädte zweckentfremdet werden können.

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