Mein erster Planungsausschuss

Eine ganz persönliche Schilderung von Barbara Neeb-Bruckner

16.08.14 – von Barbara Neeb-Bruckner –

3. Juli 2014, erster Planungsausschuss der neuen Gemeindevertretung. Es ist 18:30 Uhr. Das Vereinszimmer ist voll besetzt. Ich stehe am Stirnende des "Erwachsenentisches" und versuche, Ruhe in die Menge zu bringen. Alle sind gespannt. Laut und deutlich ist wichtig: "Ich begrüße die Bürgerinnen und Bürger." Gleiches für die weiblichen und männlichen Sachkundigen Einwohner, die Gemeindevertreter und die Mitarbeiter der Verwaltung. Ich lese aus den Gesichtern: Wenn das so weiter geht, wird die nie fertig. "Diese Art der Begrüßung mache ich nur heute." Ich spüre Bedauern. War es eigentlich richtig, die Verwaltung zum Schluss zu nennen? Zwischenzeitlich platziert ein Bauherr, der seinen Antrag zur Befreiung vom Bebauungsplan erläutern will, ein Modell seines schicken Hauses in meiner Nähe auf dem Tisch. Ich setze mich. Die neben dem Modellhaus aufgestellten Baumattrappen nehmen mir die Sicht auf einige Teilnehmer.

Bitte von Herrn Oberlack (ich habe eine Befreiung vom Dr. erhalten), die Tagesordnung umzustellen. Das fängt ja gut an! Die Vortragenden und Bürger sollen nicht zu lange auf ihren Einsatz warten müssen. Zustimmung des Plenums. Erster Tagesordnungspunkt erledigt. Jetzt kommen die Einwohneranfragen. Schweigen. Ich bin verwirrt. Die Bürger artikulieren, dass sie sich nicht jetzt äußern wollen, sondern im Laufe der Sitzung zu den entsprechenden Themen. Der Ausschuss stimmt zu. Nächster Tagesordnungspunkt. Keine Einwendungen zum letzten Protokoll. Das ging schnell. Erleichterung. Gibt mehr Zeit für die anderen Themen.

<link userspace bb kv_ohv glienicke fotos _blank am>Planungsausschuss am 03.07.2014Der Bauherr erklärt sein Projekt, dreht sein Modell nach allen Seiten. Die Diskussion setzt ein. Jetzt gilt es zu koordinieren. Teilnehmer melden sich und versuchen meinen Blick zu erhaschen, damit ich sie auf die Rednerliste setze. Zuerst Frau Affeldt, dann Herr Druschke, dann Herr Kollegger. Einige Namen kenne ich noch nicht. Ich weiche aus. "Jetzt der Nachbar von Herrn Giessmann", "da hinten links war noch eine Wortmeldung". Nicht besonders höflich. Das nächste Mal muss ich namenstechnisch besser vorbereitet sein. Der Ausschuss möchte vor der Beschlussfassung weitere Unterlagen zur Baugenehmigung. Das Thema wird an den Haupt- und Finanzausschuss verwiesen. Der Bauherr packt sein Modell unter den Arm und muss unverrichteter Dinge gehen.

Jetzt wird es spannend. Einwohneranfragen zum Projekt "Barrierefreies Wohnen". Frau Gruhle von der Senioren AG weist eindringlich darauf hin, dass die Senioren auf Wohnungen warten, dass das Projekt endlich realisiert werden muss. Herr Geis (NCC)  und Herr Bendik (Architekt) stellen einen Entwurf mit drei Blöcken und 5 Etagen vor. Balkone nach Süden. "barrierefrei" und "altersgerecht" werden bunt durcheinander gewürfelt. Ich bitte um durchgängige Verwendung der Begriffe.  Endlich eine klare Aussage: Die Neigung des Grundstücks erlaubt es, "barrierefrei" zu bauen, aber nicht "behindertengerecht". Aha. Ich versuche Herrn Bendik zu bremsen. Herr Rauscher (Planer) möchte noch sein Vorkonzept zum Bebauungsplan vorstellen. Heiß diskutiert wird das Stellplatzproblem. Die Stellplatzsatzung von 2008 sagt: 1 Stellplatz je 5 Wohneinheiten für Altenwohnungen. Aber was sind "Altenwohnungen"? Was, wenn Senioren heute mobiler als 2008 sind und länger ein Auto haben? Ab wann ist man alt und hat kein Anrecht mehr auf einen Stellplatz? Was, wenn jüngere Leute einziehen? Multitasking ist gefragt. Herr Oberlack deutet mir von rechts an, dass er sprechen will, Herr Staamann links von mir hebt zaghaft seine Hand. Meine Fraktionskollegen sitzen auf dem Bürgerbänkchen und versuchen, mir ihre Meinung durch Gesten zu vermitteln. Herr Geiss erhebt sich zur Abgabe einer Erklärung. Nach einer guten Stunde schreite ich ein, um die Diskussion zu beenden. Wir müssen weiterkommen, es stehen noch fünf Punkte auf der Agenda. Noch zwei Wortmeldungen. Dies sind aber die letzten! Ohne Klärung der Parkplatzproblematik keine Abstimmung. Das war anstrengend. Die Senioren sind der Lösung nicht näher gekommen und verlassen enttäuscht den Raum.

Nächster Punkt: Parkplatz Goebenstr. Es ist 21 Uhr. Ich schlage eine kurze Pause vor. Herr Oberlack verneint, möchte die Bürger nicht länger warten lassen. Viele Ausschussmitglieder strömen mit der Seniorengruppe hinaus. Doch Pause? Kontrolle verloren. Wie bekomme ich die Leute bloß wieder zurück in den Raum? Herr Staamann unterstützt mich, sammelt die Leute im EG ein. Jemand rät mir, beim nächsten Mal ein Glöckchen mitzubringen. Jetzt endlich zum Thema. Man einigt sich auf die Anwohnerbefragung in der Goebenstr. und den Teilnehmerkreis. Abstimmung im Plenum: Wer ist dafür? Hände heben und senken sich. So schnell konnte ich nicht zählen. Jemand rät, die Gegenprobe zu machen. Hätte ich auch drauf kommen können. Wer ist dagegen? Wer enthält sich? Einstimmig.

Wieder zurück zur ursprünglichen Tagesordnung. Jetzt sind die Bäume dran. Herr Walther mischt sich unter die Redner. Gesetzliche Grundlagen haben sich geändert. Die Baumsatzung  muss angepasst werden. Nur eine formale Sache? Meine Partei hat eine Ergänzung der Bürgerinitiative Baumschutz (BIB) als Tischvorlage verteilt. Vor meinen Augen tanzen Paragrafenzeichen und Abkürzungen für unaussprechliche Gesetze: BNatSchG, BbgNatSchAG. Herr Walther kann diese fließend aussprechen. Vorschlag: Die Verwaltung bereitet eine Formulierung für die nächste Sitzung vor. Wer ist dafür? Dagegen? Enthaltung? Na klappt doch. Erinnert mich an eine Auktion.

Es ist 22:10 Uhr. Mein Lieblingsthema "Nachhaltigkeitsprüfung bei kommunalen Vorhaben" kommt leider nicht mehr dran. Dafür bei der nächsten Sitzung direkt am Anfang. Auch gut. Da haben alle noch einen klaren Kopf. Ich wünsche einen schönen guten Abend. Erleichterung. Mein iPad hat durchgehalten. Ich hatte mir vorgenommen, die Sitzung komplett ohne Papier zu bestreiten. Gratulationen zu meinem Debüt. Ich habe die Sache wohl gut gemacht.

Einige gehen noch ins Sportbistro. Ich genieße eine Käsesuppe. Die Diskussion geht weiter. Alle reden durcheinander und gleichzeitig. Endlich Befreiung vom Rederecht und ich muss nicht mehr einschreiten. Ich freue mich auf die nächste Sitzung.

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