Rede von Wolfgang Grassl auf der Demonstration am 03.02. in Gransee

06.02.24 –

 

Schön!
Schön, dass hier so viele Menschen sind,
schön, dass hier so viele Granseer und Gäste gemeinsam Gesicht zeigen!
Mein Name ist Wolfgang Grassl, ich lebe seit 26 Jahren mit meiner Frau in einem
Dorf in Gransee, wir haben hier unsere drei Kinder aufwachsen sehen und sind
hier heimisch geworden.
Ich spreche hier als einer der beiden Sprecher des Ortsverbandes von Bündnis
90/Die Grünen Gransee und sehe mich als einen Vertreter der Zivilgesellschaft.
Ja, es sind anstrengende, oft wirklich beängstigende Zeiten:
Wer hätte sich vor Jahren vorstellen können, welches Ausmaß an Hass, Lügen,
falschen Tatsachenbehauptungen unsere Gesellschaft bedroht?
Ganz zu schweigen, von dem grotesken Zeug, dass vielfach in den sozialen
Medien herumgeistert.
Wer hätte sich vorstellen können, dass Lügen, Diffamierungen und Beleidigungen
zur Normalität des öffentlichen Sprechens werden, dass ganz offenbare Fake-
News, dass destruktive Parolen, ja, dass sogar Deportationsphantasien unseren
gesellschaftlichen Frieden bedrohen?
Wer hätte sich vorstellen können, dass eine Partei sich in unseren Parlamenten
breitmacht, deren Programm und deren Sprache mit dreister Aggressivität unsere
Republik, unsere Zukunft zerstören will?
Aber nicht nur in der Politik, all das begegnet uns auch in unserem eigenen ganz
privaten Umfeld, in unserem Alltag.
Es sind Äußerungen und Meinungen und Handlungen in unseren Familien, in
unseren Freundeskreisen, in den Vereinen, in unserem Arbeitsumfeld, auf der
Straße, beim Einkaufen, in unserer Nachbarschaft, die oft zutiefst verstörend sind.
Wie reagieren wir darauf?
Oft gehen wir darüber hinweg, hören nicht so genau hin, oder winken ab.
Uns ist das gute Zusammenleben wichtig, wir wollen den Frieden in der Familie,
mit unseren Freunden, auf der Arbeit nicht gefährden.
Oft verschließen wir die Augen vor dem Offensichtlichen, hören weg und halten
den Mund.
Ich fürchte, dass ist jetzt keine Option mehr.
Es sind keine guten Zeiten.
Es sind Zeiten,
in denen Menschen Angst vor der Mehrheit haben müssen,
in denen Mitgefühl, Empathie verächtlich gemacht wird,
in denen der einzelne Mensch zur Zahl wird und in eine Schublade einsortiert
wird.
Es sind Zeiten, in denen wir Sorge um die Grundlagen unseres Zusammenlebens
haben müssen.
Und diese Zeit stellt uns vor ganz persönliche Herausforderungen.
Die Zeit der geschlossenen Augen, der verschlossenen Ohren und des
geschlossenen Mundes ist vorbei.
Wir sind gefordert wie schon sehr lange nicht mehr.
Gefordert nicht nur zur Teilnahme an symbolischen Handlungen wie dieser
Demonstration, die sind ein gutes Zeichen, aber sie treffen nicht das eigentlich
Wichtige:
Wir sind direkt gefordert in unserem ganz alltäglichen persönlichen Leben: in
unseren Familien, in unseren Freundeskreisen, auf der Arbeit, in den Vereinen beim
Einkaufen, beim Arzt, in unserer Nachbarschaft.
Es geht gerade um verdammt viel:
Es geht um unsere Art des Zusammenlebens,
es geht um unseren gesellschaftlichen Frieden,
es geht um das Bestehen unserer Demokratie,
es geht um unsere lebenswerte Heimat.
Und das ist keine Sache, die wir allein der Politik überlassen können. Das lässt sich
nicht delegieren, das erledigt niemand für uns.
Hier kommt es auf uns an -
Jede und jeder von uns ist jetzt persönlich gefordert.
Und wenn wir der mühsamen Gespräche, der geduldigen Argumentationen und
kontroversen Auseinandersetzungen müde werden
oder uns die Angst ergreift, vor der Verachtung und dem Hass, der oft so offen
zum Ausdruck gebracht wird,
dann können wir uns unterhaken, wir können uns gewiss sein, wir sind nicht allein
und wir wissen, worum es geht und wofür wir einstehen.
Heute kann man das hier eindrucksvoll erleben.
Und, das ist mir sehr wichtig, das Gegenüber ist nicht unser Feind, sondern es sind
Menschen, die hoffentlich in Zukunft wieder unsere Freunde und Partner werden.
Alexander Gauland hat 2017 nach dem erstmaligen Einzug der AFD in den
Bundestag mit triumphierender Stimme gerufen: Und wir werden sie jagen!
Es ist Zeit, es ist längst an der Zeit, dass wir Einhalt gebieten:

Hier wird niemand gejagt!
Hier wird nicht diffamiert,
Hier wird nicht ausgegrenzt!
Es reicht.
Wir bleiben stehen und stellen uns der Auseinandersetzung, mit offenem Blick und
mit großer Entschiedenheit, manchmal mit Angst, aber immer mit Mut und der
Überzeugung, dass das wofür wir einstehen das Richtige ist.
Am Ende ist das, was jetzt gefordert ist, sehr einfach:
Der Sportreporter Marcel Reiff hat es uns in seiner bewegenden Rede am Dienstag
im Bundestag als Vermächtnis seines Vaters, als Aufgabe und Aufforderung mit auf
den Weg gegeben:
Sei ein Mensch!
Sei ein Mensch!


Wolfgang Grassl, OV Gransee, Bündnis90/Die Grünen

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