Mitteilungen aus dem Mühlenbecker Land

Gärgülle im Mühlenbecker Land?

29.07.20 –

Im April informierte Herr Felix Schneermann unsere Gemeindeverwaltung von der Tatsache, dass er beabsichtigt, sich in einer Ausschreibung der BSR für den Bau eines Behälters für flüssige Gärreste in zu bewerben, die er in Schönfliess Ortsausgang Schildow errichten möchte. Erst wenn er diese Ausschreibung wirklich gewinnen sollte, beginnt das Genehmigungsverfahren, im Zuges dessen wichtige Fragen gestellt und geklärt werden. Eine generelle Bauvoranfrage wurde von ihm bereits gestellt.

Mitglieder der Gemeindevertretung hatten im Mai die Möglichkeit, sich die Biogas-Anlage in Spandau anzuschauen und den Betreiber persönlich kennenzulernen. Dieser Einladung sind wir gefolgt und waren mit vor Ort.

Wir Bündnisgrüne Mühlenbecker Land haben seitdem intensiv Grundlagenwissen und die Vor-und Nachteile recherchiert.


Das Bauvorhaben:

  • In der derzeitigen Diskussion wird oft von dem Bau einer Biogas – Anlage gesprochen. Dies ist nicht korrekt. Es handelt sich bei dem Baukörper um einen doppelwandigen Lagerbehälter von stattlicher Größe.
  • Dieser Behälter ist rund, mit einem Durchmesser von 30m und 6m Höhe. Voraussichtlicher Standort ist das Feld von Herrn Schneermann zwischen Schönfließ und Schildow-Katharinensee.
  • Einmal täglich wird dieser Behälter mit den flüssigen Reststoffen der Biogas-Anlage Berlin-Ruhleben per LKW über den Weg von der B96a befüllt. Einmal jährlich erfolgt die Leerung zwecks Verteilung auf den Feldern.
  • Der Einsatz dieser Gärreste soll den Einsatz von Kunstdüngern erheblich verringern. Je nach Bodenuntersuchungs-Ergebnis nach der Ausbringung der Gärflüssigkeit müssen nur noch leichte Korrektur-Düngungen mit künstlichem Dünger vorgenommen werden.
  • Der Bau eines solchen Gebäudes wird nicht von der Gemeinde Mühlenbecker Land genehmigt, sondern seitens des Bauamtes  in Oranienburg. Bisher wurde eine Bauvoranfrage gestellt.

Die zuliefernde Biogasanlage:

  • Die Biogasanlage in Berlin-Ruhleben verwertet ausschließlich Abfälle aus Biomülltonnen von Privathaushalten aus Berlin, ist 2013 gebaut und somit auf einem technisch sehr modernen Stand. Schlachtabfälle oder Gülle gelangen hier nicht in die Verwertung.
  • Die Anlage produziert Methan, welches in das Gasnetz von Berlin eingespeist wird. Auch die anliefernden LKW´s fahren mit dem Autogas, welches in der Anlage produziert wird. Übrig bleiben flüssige und feste Gärreste.
  • Einmal im Monat erfolgt eine Untersuchung der die Anlage verlassenden festen und flüssigen Stoffe auf Schadstoffe. Ein RAL-Zeugnis der untersuchten Inhaltsstoffe liegt uns vor.

In einem Vergleich des Umweltbundesamtes ist Kunstdünger..

.. in der Herstellung sehr energieaufwendig , es entstehen außerdem schädliche Treibhausgase

.. verbraucht die Herstellung sehr hohe Recourcenmengen

.. können sich vor allem Stickstoff und Phosphor negativ auf die Bodenfruchtbarkeit  und Gewässerqualität auswirken

.. entweichen vor allem Lachgas und Ammoniak bei Lagerung und Ausbringung in großen Mengen

.. reichern sich die enthaltenen Schwermetalle Blei, Cadmium, Nickel, Quecksilber, Arsen und Uran im Boden an und belasten auch unser Grundwasser.


Einige Fakten über flüssige Gärreste:

  • Flüssige Gärreste sind zum Aufbau einer guten Bodenstruktur geeignet und tragen zur Humusbildung bei. Der Düngewert liegt aber unterhalb von Kompost.
  • Das Vorhandensein von sichtbaren Plastikteilen ist gemäss einer Schweizer Studie bei Gärgülle nahezu ausgeschlossen. Über den Anteil von Mikroplastik gibt es leider keine gesicherten Studien. Fakt ist leider aber, dass Mikroplastik mittlerweile leider durch Alltagsprodukte überall vorhanden ist und durch diesen Kreislauf sogar bereits in unsere Ernährung übergegangen ist.
  • Die Schadstoffkonzentrationen im Vergleich zu dem in dieser und vergleichbaren Biogas-Anlagen hergestellten festen Kompost ist sehr gering. Denn in den festen Endprodukten reichern sich gerade Schwermetalle deutlich häufiger an. Deshalb müssen die festen Gärreste noch weiter bearbeitet werden.
  • Flüssige Gärreste sind selbst für Biobauern (die laut EU-Verordnung wirtschaften) zur Düngung zugelassen.

Es gab einige absolut verständliche Befürchtungen zum Bauvorhaben, von denen wir hier ein paar aufgreifen möchten:

  • Der vielseits verwendete Begriff Gärgülle ist irreführend. Mit Gülle verbindet man hauptsächlich Fäkalien aus der Rinder- und Schweinezucht. Dies hat aber nichts mit der Gärflüssigkeit zu tun. Es wird auch nicht weniger Gülle aufgrund des Einsatzes der Gärflüssigkeit ausgebracht .
  • Um die Geruchsbelästigung zu minimieren und auch um die Freisetzung von Methan und Ammoniak so gering wie möglich zu halten, ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass die Ausbringung bodennah zu  erfolgen hat und nicht versprüht werden darf. Außerdem hat die Einarbeitung innerhalb weniger Stunden zu erfolgen. Der Behälter erhält zudem eine kegelförmige Abdeckung, die nach oben eine Öffnung zum Entweichen der Gase hat. Die Geruchsbelästigung von Schweinegülle ist aufgrund der enthaltenen Mengen an Schwefel und Ammonium durchschnittlich 3 x so stark wie die der Gärflüssigkeit.
  • Durch die mehrmonatigen Lagerzeiten setzt sich im Lagerbehälter feines Sedimentmaterial ab. Deshalb wird direkt vor der Ausbringung auf die Felder die Abdeckung entfernt und der komplette Tank aufgerührt und damit Sedimente wieder in Schwebe gebracht. Ca. alle 5 Jahre muss dennoch der Tank ausgebaggert werden. Dabei wird Geruch freigesetzt, der bei der Einhaltung er oben genannten Bedingungen der derzeitigen Geruchsbelastung einer landwirtschaftlichen Gülledüngung nicht übersteigt.
  • Zigaretten enthalten Nikotin, Arsen, Cadmium, Kupfer, Blei, Benzol, Chrom, Blausäure und Dioxin und viele weitere Schadstoffe. Die meisten Zigarettenstummel landen in der Natur und vergiften die Umwelt. Dieses Problem wird absolut unterschätzt und sollte von der Politik viel mehr Beachtung finden. Es kann sicher nicht ausgeschlossen werden, dass bei über 3 Millionen Haushalten Zigarettenkippen auch in der Biotonne und damit in der Biogasanlage landen. Die Gärflüssigkeit ist damit nicht anders zu bewerten als die Kippen, die achtlos auf die Straße und in die Natur geworfen werden.
  • Grundwasserbelastung: Die Befüllung und Entnahme erfolgt über dichte Ventile, sodass bei sachgemäßem Gebrauch dort keine Flüssigkeit austreten kann. Auch das ca. 200 m entfernte Fließ muss trotz alledem zur Sicherheit vor dem Einfließen der Flüssigkeit durch einen Wall geschützt werden. Diese und weitere Sicherheitsmaßnahmen wird Herr Schneermann von der genehmigenden Behörde auferlegt bekommen. Die Grundwasserbelastung durch Nitrat und Antibiotika ist bei der hier angelieferten Flüssigkeit um ein vielfaches geringer, als bei der ausgebrachten Schweinegülle, weil eben nur der Inhalt von Biotonnen verwertet wird.
  • Sehr verständlicherweise wird ebenfalls eine bakterielle Belastung der Gärreste angenommen. Bereits bei der Besichtigung der Biogasanlage haben wir diese Problematik angesprochen. Meistens durchlaufen Gärreste eine Hygienisierung. Der stabile Fermentierbetrieb bei 60°C in der Biogasanlage in Ruhleben sorgt dafür, dass Bakterien und Salmonellen abgetötet werden. Dies ist auch im RAL-Zeugnis ersichtlich. Eine andauernde Prozessüberwachung ist vorgeschrieben und konnten wir vor Ort prüfen.
  • Im Lagerbehälter können sich noch in geringem Maße Gase wie Methan bilden und man könnte eine Explosionsgefahr annehmen. Diese Mengen sind aber zu gering dafür. Zudem sorgt eine Öffnung in der Abdeckung, dass alle Gase jederzeit entweichen und somit keine gefährliche Situation entstehen kann.

Abschließend können wir sagen, dass dieser Behälter mit seinen enormen Ausmaßen die Landschaft nahe des Naturschutzgebietes prägen wird, und das nicht zum Positiven. Einen ausreichenden Beleg für die Nichtakzeptanz der Gärflüssigkeit auf den Feldern sehen wir derzeit nicht.

Wir können nicht ausschliessen, dass wir einen Umstand nicht oder nicht ausreichend beleuchtet haben, der eine Schädlichkeit und Belastung unseres Umlandes belegen könnte und sind für Hinweise jeglicher Art sehr dankbar.

Was uns auch missfällt ist, dass Herr Schneermann weiterhin gleiche Mengen an Schweinegülle auf die Felder ausbringt und sich damit weitere Nitrate, Antibiotika, Stickstoff und Phosphate im Boden anreichern. Auch der Glyphosath-Einsatz wird derzeit von Herrn Schneermann nicht in Frage gestellt. Zudem hat er seine Flächen um 10 ha im Mühlenbecker Land erweitert. Wir hoffen inständig, dass er in Erwägung zieht, diese Flächen nachhaltig zu bewirtschaften.

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Nicole Bachmann:

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Kategorie

Mühlenbecker Land | Stellungnahme | Tier- und Landwirtschaft | Umweltschutz

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